Allgemeines zur Erstaufnahme
In Baden-Württemberg besteht nach dem baden-württembergischen Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) ein dreistufiges Aufnahmesystem. Bei der Erstaufnahme handelt es sich um die erste Stufe in diesem System: Ankommende Geflüchtete werden in landeseigenen Einrichtungen zur Erstaufnahme untergebracht, registriert und ärztlich untersucht. In der Erstaufnahme können sie auch einen Asylantrag stellen. Mehr erfahren Sie unter Aufnahmesystem.
Der Zweck einer Einrichtung zur Erstaufnahme ist es, die wichtigen Verfahrensschritte im Aufnahme- und Asylverfahren an einem Ort zu bündeln – von der Registrierung über die Gesundheitsuntersuchung bis zur Bearbeitung des Asylverfahrens. Dies stellt möglichst effiziente Abläufe sicher. Dafür sind aber auch ausreichende Kapazitäten nötig: Schließlich müssen auch unterschiedliche Behörden mit viel Personal und geeigneter Ausstattung vor Ort arbeiten. Zusätzlich ist eine Vielzahl an weiteren privaten oder gemeinnützigen Organisationen in die Betreuung und Versorgung der Geflüchteten eingebunden. Die hierfür erforderlichen Strukturen lassen sich nur in entsprechend großen Einrichtungen wirtschaftlich betreiben.
Auch eine sofortige Verteilung der Geflüchteten in die Kommunen ist keine Lösung: Nur in einer Einrichtung zur Erstaufnahme kann sichergestellt werden, dass die nötigen Verfahrensschritte ordnungsgemäß erfolgen.
Zudem erfüllen die Einrichtungen zur Erstaufnahme eine Pufferfunktion, die besonders dann wichtig ist, wenn in kurzer Zeit viele Geflüchtete nach Baden-Württemberg kommen. Dann braucht es eine gewisse Zeit, um Unterkünfte für die vorläufige Unterbringung und die Anschlussunterbringung bereitzustellen. Die Erstaufnahme, in der die Geflüchteten zunächst einige Wochen und Monate untergebracht sind, sorgt für zeitlichen Vorlauf.
Das Asylgesetz (AsylG, § 47 Abs. 1) sieht eine Wohnverpflichtung von Asylbewerbern von bis zu 18 Monaten in der Erstaufnahme vor. Diese Höchstwohnfrist wird bei bestimmten Familienkonstellationen auf sechs Monate verkürzt – etwa für minderjährige Kinder und ihre Sorgeberechtigten sowie für ihre volljährigen, ledigen Geschwister. Bei Verstößen gegen bestimmte Mitwirkungspflichten oder Identitätstäuschungen gilt dagegen eine unbefristete Wohnverpflichtung.
Die durchschnittliche Unterbringungsdauer in Einrichtung zur Erstaufnahme lag vor Beginn der Corona-Pandemie bei ca. viereinhalb Monaten. Seit dem Jahr 2022 ist die durchschnittliche Unterbringungsdauer auf unter zwei Monate gesunken. Grund hierfür war zum einen, dass während der Pandemie die Belegungsdichte gesenkt werden musste. Zum anderen stieg ab Mitte 2021 der Zugang von Geflüchteten deutlich.
Asylsuchende sind nach dem Asylgesetz des Bundes (§ 47 AsylG) verpflichtet, in einer Einrichtung zur Erstaufnahme zu wohnen. Eine Verpflichtung, sich durchgehend in der Einrichtung aufzuhalten, ist damit jedoch nicht verbunden.
Grundsätzlich wird auf eine ausgewogene Belegung der Einrichtungen zur Erstaufnahme geachtet. Innerhalb der Einrichtung werden besonders schutzbedürftige Personen separiert. Das sind etwa alleingeflüchtete Frauen oder alleinstehende Frauen mit Kindern und Familienangehörigen.
Nicht schulpflichtige Kinder, die in einer Einrichtung zur Erstaufnahme leben, besuchen keine Kindertagesstätte vor Ort. Stattdessen gibt es in allen Einrichtungen eine qualifizierte Kinder- und Jugendbetreuung.
Kinder im Schulkindalter haben in Baden-Württemberg von Beginn des Aufenthalts an das Recht zum Schulbesuch. Die Pflicht dazu beginnt für Geflüchtete allerdings erst sechs Monate nach Zuzug aus dem Ausland. Aufgrund unterschiedlicher Vorbildung und einer unterschiedlichen Unterbringungsdauer in der Erstaufnahme wird je nach Einzelfall geprüft, ob eine Schulanmeldung bereits Sinn macht oder ob zunächst eine Vorbereitung auf den Schulbesuch im Rahmen der Kinder- und Jugendbetreuung empfohlen wird.
Im Rahmen der Erstaufnahme werden Kinder und Jugendliche in Abstimmung mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport unterrichtet. Der Unterricht findet in der Regel an den örtlichen allgemeinbildenden Schulen in Vorbereitungsklassen (VKL) oder an beruflichen Schulen in Klassen des Vorqualifizierungsjahres Arbeit und Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen (VABO) statt. Das Kultusministerium bzw. die Regierungspräsidien richten je nach Bedarf zusätzliche VKL- oder VABO-Klassen an Schulen im Umkreis von Einrichtungen zur Erstaufnahme ein. Mehr dazu erfahren Sie unter Einrichtungen zur Erstaufnahme.
Die medizinische Versorgung innerhalb einer Einrichtung zur Erstaufnahme wird überwiegend über eine eigene medizinische Ambulanz erbracht. Der Umfang der Sprechstunden richtet sich jeweils nach der Größe, der Funktion und der aktuellen Belegung der Einrichtung. Es gibt ein Impfangebot nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) sowie bei Bedarf auch pädiatrische und gynäkologische Sprechstunden, Hebammensprechstunden, zahnärztliche Behandlungen und eine psychologische Beratung. Dies zielt auf die angemessene Versorgung der Geflüchteten ab, aber auch auf die Entlastung lokaler medizinischer Einrichtungen wie etwa der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Mehr dazu erfahren Sie unter Einrichtungen zur Erstaufnahme.
Neue Standorte für Einrichtungen zur Erstaufnahme
Der Zugang ist im ersten Halbjahr des Jahres 2025 zwar rückläufig, befindet sich aber weiterhin auf einem signifikanten Niveau.
Zudem kann das Land Entwicklungen wie etwa neue bewaffnete Konflikte weniger denn je ausschließen. Es kann jederzeit wieder dazu kommen, dass sehr schnell, sehr viele Menschen unterzubringen sind. Das hat in der Vergangenheit beispielsweise zur Belegung von Gemeinde- und Sporthallen in der vorläufigen Unterbringung geführt und dadurch zu negativen Auswirkungen auf den Schul- und Vereinssport. Der Ausbau der Regelkapazitäten der Erstaufnahme ist daher auch bei rückläufigen Zugangszahlen erforderlich, um die Pufferfunktion der Erstaufnahme des Landes für die vorläufige Unterbringung auf Ebene der Stadt- und Landkreise zu stärken. Die Erstaufnahme soll Stadt- und Landkreise bei schnell ansteigenden Zugängen zukünftig noch mehr zeitlichen Vorlauf für Kapazitätsanpassungen in der vorläufigen Unterbringung ermöglichen.
Zusätzlich können bei einem Ausbau der Regelkapazitäten Personen ohne Bleibeperspektive länger in der Erstaufnahme untergebracht werden – sofern möglich bis zur Rückführung. Ziel ist es, verstärkt Personen mit Bleibeperspektive aus der Erstaufnahme in die vorläufige Unterbringung bei den unteren Aufnahmebehörden der Stadt- und Landkreise zu verteilen. Außerdem können Einrichtungen zur Erstaufnahme auch zur Vorsorge für Krisenfälle beitragen, in denen Evakuierungen der lokalen Bevölkerung nötig sind - zum Beispiel bei Bombenentschärfungen, Hochwasser, Erdbeben oder auch im Verteidigungsfall.
Baden-Württemberg muss seine dauerhaften Kapazitäten im Bereich der Erstaufnahme erhöhen. In den letzten Jahren wurden deshalb mehrere Suchläufe nach geeigneten Standorten für Einrichtungen zur Erstaufnahme gestartet. Nach ihrer Auswertung konnten aber nur wenige geeignete Standorte identifiziert werden. Daher ist die landesweite Suche nach Liegenschaften zu einer Daueraufgabe geworden. Es müssen weiterhin alle in Betracht kommenden Möglichkeiten, die zur Schaffung von Unterbringungskapazitäten der Erstaufnahme beitragen können, geprüft werden.
Zum 31.12.2025 muss der Betrieb der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Ellwangen eingestellt werden. Hintergrund ist eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen Land, Ostalbkreis und der Stadt Ellwangen aus dem Jahr 2015 sowie eine Folgevereinbarung aus dem Jahr 2019. Sie beinhalten eine feste Betriebsdauer der LEA, welche die beteiligten Parteien letztmalig bis Ende 2025 verlängert haben.
Ziel des Landes ist es, im Regierungsbezirk Stuttgart einen adäquaten Ersatz für die LEA Ellwangen zu finden. Die Gründe dafür sind zum einen die aufgebauten Strukturen und Erfahrungen im Regierungspräsidium Stuttgart, zum anderen der Koalitionsvertrag, der sich zu „LEA in allen vier Regierungsbezirken“ bekennt.
Das Land hat das Ziel, auch mit der jeweiligen Standortkommune Einvernehmen zum Betrieb einer Einrichtung zur Erstaufnahme herzustellen. Weil es sich um einen hoheitlichen Akt der Daseinsfürsorge handelt, ist ihre Zustimmung aber grundsätzlich nicht nötig. Mehr dazu erfahren Sie unter Standortsuche.
Baden-Württemberg kann keinen direkten Einfluss auf die Anzahl der Zugänge nehmen. Das Land setzt sich jedoch im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür ein, die Zahl der irregulären Einreisen nach Deutschland weiter und nachhaltig zu begrenzen und die Aufnahmekapazitäten in den Ländern und Kommunen zu entlasten. So unterstützt das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg den Bund weiterhin dabei, sich für geeignete Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene einzusetzen.
Die Länder sind nach dem Asylgesetz des Bundes (§ 44 AsylG) gesetzlich verpflichtet, Asylsuchende unterzubringen und die dazu erforderlichen Einrichtungen zur Erstaufnahme zu schaffen. Wie viele Geflüchtete Baden-Württemberg aufnehmen muss, wird nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ errechnet: Demnach muss das Land ca. 13 Prozent der nach Deutschland kommenden Geflüchteten aufnehmen. Zum Vergleich: Die Aufnahmequote Nordrhein-Westfalens beträgt rund 21,1 Prozent, die Bayerns 15,6 Prozent.
Einrichtungen zur Erstaufnahme sind Einrichtungen des Landes und werden in Baden-Württemberg durch die vier Regierungspräsidien Stuttgart, Tübingen, Karlsruhe und Freiburg betrieben. Die Regierungspräsidien sind daher auch die zentralen Ansprechpersonen für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Darüber hinaus ist die Ombudsperson für Flüchtlingserstaufnahme Ansprechpartner für Fragen außerhalb der klassischen Verwaltungshierarchie. Die Arbeit der Ombudsperson wird in den einzelnen Regierungsbezirken durch eine Ansprechperson unterstützt.