Die Justizministerinnen und Justizminister sind zu ihrer jährlichen Herbstkonferenz zusammengekommen. Dabei haben sie sich auf Initiative des Landes für eine Stärkung und Weiterentwicklung von Videoverhandlungen in Gerichtsverfahren ausgesprochen.
Bei der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister in Berlin haben sich die Justizminister auf baden-württembergische Initiative unter anderem für eine Stärkung und Weiterentwicklung von Videoverhandlungen in Gerichtsverfahren ausgesprochen. Die baden-württembergische Justiz hat insbesondere in den vergangenen Monaten der Pandemie in geeigneten Gerichtsverfahren sehr gute Erfahrungen mit Videoverhandlungen gemacht.
Baden-Württembergs Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges sagte: „In der Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit ist die Videoverhandlung nicht zuletzt seit der Corona-Pandemie nicht mehr aus dem gerichtlichen Alltag wegzudenken. Die Videoverhandlung bietet den Gerichten und den Parteien ein Instrument zur effektiven Verhandlungsführung, zum Beispiel in arbeitsgerichtlichen Güteverhandlungen und weit darüber hinaus. Daran wollen wir anknüpfen. Wir wollen das erfolgreiche und gerade in der heutigen Zeit sinnvolle Instrument der Videoverhandlungen weiter ausbauen. Inzwischen sind in der baden-württembergischen Justiz mehr als 450 plattformunabhängige Videokonferenzanlagen im Einsatz. Plattformunabhängig bedeutet, dass die Technik jeweils mit allen gängigen Videokonferenzanwendungen kompatibel ist. Einen großen Teil dieser Anlagen machen die so genannten „Video-Soundbars“ aus. Diese kompakte und mobil einsetzbare Technik ermöglicht es den Richterinnen und Richtern, auf einfache und flexible Art Videoverhandlungen durchzuführen.
Mehr Planungssicherheit für Richter
Justizministerin Gentges führte weiter aus: „Nach der aktuellen Rechtslage in Paragraph 128a der Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht die Zuschaltung per Video von außen zwar gestatten, aber noch nicht verbindlich anordnen. Dies kann dazu führen, dass die Verfahrensbeteiligten trotz einer solchen Gestattung im Sitzungssaal erscheinen. Hier sollte den Richterinnen und Richtern mehr Planungssicherheit gegeben werden, indem die Durchführung der Verhandlung im Videoformat verbindlich angeordnet werden kann. Dies soll aber nicht gegen den Willen der Parteien geschehen. Daher sollen die Parteien einer Videoverhandlung nach meiner Vorstellung binnen kurzer Frist – etwa zwei Wochen – ohne weitere Voraussetzungen widersprechen können.“
Trotz der erfolgreichen Entwicklung des Formats der Videoverhandlungen ist es aus Sicht von Justizministerin Marion Gentges wichtig, dass sich nicht alle Prozesse für Videoverhandlungen eignen. Dazu sagte sie: „Klar ist: Nicht jede Verhandlung, die nach Paragraph 128a ZPO zulässigerweise im Videoformat verhandelt werden dürfte, ist hierfür auch geeignet. So sehe ich die Grenzen der Online-Verhandlungen insbesondere dort, wo der persönliche Eindruck besonders entscheidend ist und Emotionen eine nicht nur untergeordnete Rolle spielen, wie etwa in familien- oder erbrechtlichen Auseinandersetzungen sowie in Nachbarschaftsstreitigkeiten. Im Strafrecht ist sie gesetzlich ausgeschlossen. Die Entscheidung, ob sich eine Verhandlung für das Online-Format eignet, muss weiter das zuständige Gericht im Rahmen der ihm obliegenden richterlichen Unabhängigkeit treffen.“
Digitale Angebote in der Zivilprozessordnung schaffen
Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges betonte zudem, dass die aktuellen Prozessregeln über zivilrechtliche Streitigkeiten einer grundsätzlichen Modernisierung bedürfen. Als Mitantragsteller sprach sich Baden-Württemberg daher beispielsweise für die Prüfung eines Online-Portals zur Inanspruchnahme von Justizdienstleistungen sowie die Einführung eines beschleunigten Online-Verfahrens im Zivilprozess aus.
Dazu sagte Ministerin Gentges: „Wir müssen feststellen, dass es Bereiche gibt, in denen die Rechtsdurchsetzung vor staatlichen Gerichten nicht mehr die erste Wahl zu sein scheint. So scheint bei zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern, die sehr häufig vorkommen und in denen es um niedrige Streitwerte geht, eine Rechtsdurchsetzung vor Gerichten teilweise weniger attraktiv, als sich an ein Inkassounternehmen zu wenden. Daher sollten wir mit Änderungen in der Zivilprozessordnung digitale Angebote für einfach gelagerte Verfahren mit geringen Streitwerten schaffen.“