Flüchtlingsaufnahme

Mindeststandards und Flüchtlingssozialarbeit

Hier informieren wir über die Mindeststandards in Geflüchtetenunterkünften und über die Flüchtlingssozialarbeit.

Berechne Lesezeit
  • Teilen
Das Bild zeigt Hände, die sich schützend um eine Papiersilhouette einer Familie legen.

Im Flüchtlingsaufnahmegesetz Baden-Württemberg (FlüAG) und der dazugehörigen Durchführungsverordnung (DVO FlüAG) sind Regelungen zu den Mindeststandards in den Geflüchtetenunterkünften sowie zu einer gesetzlich vorgesehenen Flüchtlingssozialarbeit in der vorläufigen Unterbringung enthalten.

Mindeststandards

Die Mindeststandards sind in § 5 DVO FlüAG geregelt und sollen eine menschenwürdige Unterbringung sowie Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

Dazu zählen:

  • Einrichtung der Unterkünfte in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil oder im Anschluss daran,
  • Anbindung an ausreichende Nutzungsmöglichkeiten regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel,
  • Berücksichtigung besonderer Belange schutzbedürftiger Personen (z.B. Kinder, Personen mit Erkrankungen oder Behinderungen, LSBTTIQ-Personen* usw.),
  • räumlich getrennte Unterbringung nach Geschlechtern bei Alleinreisenden,
  • Wahrung der Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen,
  • Einrichtung von Kochgelegenheiten bzw. Gemeinschaftsküchen,
  • nach Geschlechtern getrennte gemeinschaftlich genutzte Sanitäreinrichtungen,
  • Einrichtung von mindestens einem Gemeinschaftsraum pro Unterkunft,
  • Bei Unterbringung von Kindern ein Gemeinschaftsraum zum Spielen und zur Hausaufgabenerledigung von Schulkindern,
  • Einrichtung von Außenanlagen zur Freizeitgestaltung (sofern möglich),
  • Einhaltung der Vorschriften des Baurechts sowie Brand- und Gesundheitsschutzes und
  • Einrichtung von Vorkehrungen zur unverzüglichen Alarmierung im Gefahrenfall.

In § 8 FlüAG ist vorgesehen, dass je Unterbringungsplatz eine durchschnittliche Wohn- und Schlaffläche (ohne Sanitär- und Gemeinschaftsflächen) von mindestens sieben Quadratmeter vorzusehen ist. In besonderen Zugangslagen kann davon abgewichen werden. Sofern Wohnungen genutzt werden, sollen diese vorrangig von besonders schutzbedürftigen Personen genutzt werden.

Flüchtlingssozialarbeit 

Geflüchtete werden während der vorläufigen Unterbringung durch die Flüchtlingssozialarbeit beraten und betreut (§ 12 FlüAG).

Gemäß der Anlage zu § 6 DVO FlüAG soll eine qualifizierte Flüchtlingssozialarbeit in den Einrichtungen der vorläufigen Unterbringung den untergebrachten Personen ermöglichen, ein menschenwürdiges, selbstverantwortliches Leben in Deutschland zu führen und ihre Integrationsfähigkeit zu erhalten. Hierfür werden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit mindestens vergleichbarer Qualifikation eingesetzt. Der Betreuungsschlüssel für die Flüchtlingssozialarbeit in der vorläufigen Unterbringung liegt derzeit bei 1:90 (heißt: ein Mitarbeitender der Flüchtlingssozialarbeit betreut 90 Geflüchtete).

Die Aufgaben der Flüchtlingssozialarbeit umfassen unter anderem:

  • Soziale Beratung und Betreuung: Die Flüchtlingssozialarbeit übernimmt die Beratung, Unterstützung und Vermittlung von Informationen im Hinblick auf das Asylverfahren, das Aufenthalts- und Sozialrecht sowie alle weiteren Themenbereiche, die den Aufenthalt in Deutschland betreffen. Darunter fallen zum Beispiel die Vermittlung in Sprachkurse, Ausbildung/Beschäftigung und weitere Bildungsangebote sowie die Themen Wohnen, Gesundheit und psychosoziales Wohlbefinden. Auch geht es darum eine Lebensperspektive für die Zeit des Aufenthalts und mit Blick auf die Integrationsfähigkeit zu erarbeiten. Zudem wirkt sie an der Förderung des Gewaltschutzes.
  • Besonders schutzbedürftigen Personen: Zu den Aufgaben der Flüchtlingssozialarbeit zählt die Mitwirkung bei der Identifizierung und Betreuung schutzbedürftiger Personen nach § 5 FlüAG sowie die Vermittlung in entsprechende Unterstützungsangebote.
  • Kontakt zur Aufnahmegesellschaft: Die Flüchtlingssozialarbeit fördert das gegenseitige Verständnis und wirkt auf ein friedvolles Miteinander hin, durch beispielsweise pädagogische und soziale Aktivitäten mit Geflüchteten und Bürgerinnen und Bürgern aus dem Umfeld der Einrichtung.
  • Ehrenamtliche: Die Gewinnung, Begleitung und Schulung von Ehrenamtlichen ist ein weiterer Teil der Flüchtlingssozialarbeit.
  • Partizipation: Durch die Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten für Bewohnerinnen und Bewohner soll eine Erleichterung des Informationsaustauschs und -flusses in der Unterkunft und eine Vertiefung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Mitarbeitenden und der Bewohnerschaft erreicht werden. Zudem kann durch die Stärkung der Selbstwirksamkeit von Geflüchteten das Miteinander in der Unterkunft, aber auch außerhalb, erreicht werden

Besonders schutzbedürftige Personen und Gewaltschutz

Die Flüchtlingssozialarbeit wirkt bei der Identifizierung und Betreuung schutzbedürftiger Personen mit. Der Schutz der Geflüchteten, aber insbesondere dieser Personengruppe, soll zudem durch die Förderung des Gewaltschutzes und die Erstellung von Gewaltschutzkonzepten erreicht werden.

Wer sind besonders schutzbedürftige Personen?

Besonders schutzbedürftige Personen bzw. „Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme“ sind nach Artikel 24 der EU-Richtlinie 2024/1346 unter anderem Minderjährige oder ältere Menschen, Personen mit Behinderungen oder schweren Erkrankungen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, LSBTTIQ-Personen*, Personen mit psychischen Störungen, Opfer von Menschenhandel oder Folter bzw. jeglichen schweren Formen physischer und psychischer Gewalt, z.B. Gewalt mit sexuellem, geschlechtsspezifischem, rassistischem oder religiösem Motiv.

Was beinhaltet der Gewaltschutz?

Der Gewaltschutz in Gemeinschaftsunterkünften soll insgesamt die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner gewährleisten und richtet sich daneben auch an die Mitarbeitenden in Unterkünften und kann auch das nachbarschaftliche Umfeld umfassen. Dazu zählt auch, dass Personen mit besonderen Bedürfnissen identifiziert und entsprechend betreut werden. Daneben ist auch Teil des Gewaltschutzes, dass beispielsweise durch die Einhaltung der Mindeststandards und die Berücksichtigung der Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Personen, Gewalt vorgebeugt wird.

Neben einem (trauma)sensiblen Umgang mit den verschiedenen Vulnerabilitäten, bedarf es hierfür auch interkultureller Kompetenz des betreuenden Personals sowie z.B. auch bauliche Schutzmaßnahmen (z.B. für Barrierefreiheit). Dies kann erreicht werden durch Sensibilisierung und Schulung des betreuenden Personals, aber auch der zuständigen unteren Aufnahmebehörden hinsichtlich der sicheren und beispielsweise barrierefreien Einrichtung und Ausstattung der Unterkünfte. Weiter sollen Gewaltschutzkonzepte den Gewaltschutz strukturieren und damit fördern.

Welche Vorteile bringen die Maßnahmen des Gewaltschutzes?

Die Sicherheit der Geflüchteten in den Unterkünften wird verbessert und Gewaltvorfälle reduziert. Außerdem wird damit den gesetzlichen Vorgaben entsprochen.

Darüber hinaus werden die Bewohnerinnen und Bewohner ermutigt bzw. dabei unterstützt, sich aktiv einzubringen, wodurch u.a. ihr Verantwortungsgefühl steigt (Partizipation Geflüchteter als Teil des Gewaltschutzes). Dies kann mitunter zur Entlastung der Mitarbeitenden in den Unterkünften sowie der ehrenamtlich Tätigen beitragen. Letztlich führt ein hohes Verantwortungsgefühl aller Bewohnerinnen und Bewohner auch dazu, dass weniger bzw. kein Vandalismus auftritt. Gemeinschaftsunterkünfte können zudem ruhiger und konfliktärmer betrieben werden.

In Folge der beiden zuvor genannten Aspekte wird die Akzeptanz in direkter Nachbarschaft und auch der Schutz der Mitarbeitenden in den Unterkünften erhöht.

Projekt ,,landesweite Gewaltschutzmultiplikation in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete‘‘

Neben der gesetzlich vorgesehenen Flüchtlingssozialarbeit fördert das Land die Ausweitung des Gewaltschutzes im Rahmen des Projekts ,,landesweite Gewaltschutzmultiplikation in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete‘‘. Die Kontakt- und Anlaufstelle der im Projekt bei der Caritas e.V. Karlsruhe eingesetzten Gewaltschutzkoordinatorin unterstützt u. a. Behörden, Betreiber von Unterkünften sowie Sozialbetreuerinnen und -betreuer in Bezug auf die Erfüllung der Vorgaben der §§ 44 Abs. 2a und 53 Abs. 3 Asylgesetz sowie § 5 Flüchtlingsaufnahmegesetz.

Vorrangiges Ziel der Projektförderung ist eine nachhaltige Verbesserung des Gewaltschutzes, insbesondere in landesweit allen Einrichtungen der Flüchtlingsaufnahme. Die Gewaltschutzmultiplikation unterstützt u. a. bei der Entwicklung einrichtungsspezifischer Gewaltschutzkonzepte, wodurch nachhaltige Strukturen entstehen können, die es ermöglichen, den Gewaltschutz in die alltäglichen Abläufe der Unterkünfte zu implementieren. Zusätzlich dazu werden Schulungen für Leitungen und hauptamtlich Mitarbeitende in Unterkünften für Geflüchtete angeboten.

Das Projekt wird aus Landesmitteln finanziert, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat.