Allgemeines zur Erstaufnahme
In Baden-Württemberg besteht nach dem baden-württembergischen Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) ein dreistufiges Aufnahmesystem.
- Erste Stufe, die Erstaufnahme: Im Rahmen der Erstaufnahme werden ankommende Geflüchtete in landeseigenen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Nach der Registrierung und der Gesundheitsuntersuchung durchlaufen sie das Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
- Zweite Stufe, Verteilung in die staatliche vorläufige Unterbringung: Die Zuständigkeit liegt bei den sogenannten „unteren Aufnahmebehörden“. Das sind bei Bürgermeisterämtern der Stadtkreise und Landratsämtern zuständige Verwaltungseinheiten. Die Anzahl der zugewiesenen Geflüchteten wird über einen Verteilungsschlüssel ermittelt. Der errechnet sich aus dem Anteil des jeweiligen Stadt- und Landkreises an der Bevölkerung des Landes.
- Dritte Stufe, Kommunale Anschlussunterbringung: Nach Ende der vorläufigen Unterbringung erfolgt die Verteilung in die kommunale Anschlussunterbringung bei den über 1.100 Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg.
Erstaufnahmeeinrichtungen sind Einrichtungen des Landes und werden in Baden-Württemberg durch die vier Regierungspräsidien Stuttgart, Tübingen, Karlsruhe und Freiburg betrieben. Für den Betrieb der Einrichtung greifen die Regierungspräsidien auf erfahrene und professionelle Dienstleister zurück. Das betrifft insbesondere Angebote zur Strukturierung des Alltags, die Betreuung von Kindern und Jugendlichen, die medizinische Versorgung, die Verpflegung und die Sicherheit der Geflüchteten. In Baden-Württemberg gibt es drei Arten von Erstaufnahmeeinrichtungen:
- Erstaufnahmeeinrichtungen (EA) dienen ausschließlich der Unterbringung von Geflüchteten.
- In Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) werden neben der Unterbringung auch das Aufnahme- und Asylverfahren bearbeitet. Aus diesem Grund sind in einer LEA regelmäßig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit einer Außenstelle sowie das Gesundheitsamt des jeweiligen Stadt- bzw. Landkreises vor Ort tätig.
- Ein Ankunftszentrum für Asylsuchende (AZ) ist wie eine LEA, verfügt jedoch über mehr Unterbringungsplätze und größere Kapazitäten für das Aufnahme- und Asylverfahren als eine LEA.
Nach der Ankunft werden Asylsuchende in der Erstaufnahme registriert. Teil der Registrierung sind die Datenerhebung, die erkennungsdienstliche Behandlung mit Foto und Fingerabdrücken sowie die Sicherheitsüberprüfung. Die erhobenen Daten werden automatisiert bei verschiedenen Sicherheitsbehörden des Bundes abgefragt. So können relevante Erkenntnisse sofort mitgeteilt werden.
Die Gesundheitsuntersuchung erfolgt nach Ankunft in der Erstaufnahme. Asylsuchende sind nach dem Asylgesetz des Bundes (§ 62 AsylG) verpflichtet, eine ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten einschließlich einer Röntgenaufnahme der Atmungsorgane zu dulden. Neu angekommenen Geflüchteten wird ein Impfangebot unterbreitet, welches sich nach den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) richtet. Die Durchführung der Gesundheitsuntersuchungen liegt in der Zuständigkeit des örtlichen Gesundheitsamtes. Das Land stellt den Gesundheitsämtern für diese Aufgabe zusätzliches ärztliches Personal bereit und erstattet dem jeweiligen Kreis die Kosten.
Ausbau der Erstaufnahme des Landes
Die Aufnahme von Geflüchteten ist eine vom Bund auf die Länder übertragene Pflichtaufgabe und Ausdruck humanitärer Verpflichtung.
Während 2013 ca. 51,2 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht waren, stieg die Zahl 2023 nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) auf 117,3 Millionen (+129 Prozent). 67,1 Millionen davon sind Binnenflüchtlinge, die innerhalb ihres Landes auf der Flucht sind.
Die globale Migration zeichnet sich mittlerweile auch in den Zugangszahlen nach Europa, Deutschland und Baden-Württemberg ab. Während die Zugänge nach Baden-Württemberg im Zeitraum 2017 bis 2020 noch sanken, ist seit 2021 eine Trendumkehr festzustellen. 2022 wurden in Baden-Württemberg rund 176.000 Personen aufgenommen. Das sind deutlich mehr als in den Jahren 2015 und 2016 zusammen, dem Höhepunkt der damaligen Fluchtbewegungen. 145.000 der insgesamt 176.000 Geflüchteten sind ukrainische Staatsangehörige, die, nach Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine, Schutz in Baden-Württemberg fanden. Gleichzeitig suchten auch mehr Asylsuchende Schutz in Baden-Württemberg.
Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2023 fort. Baden-Württemberg nahm 2023 rund 79.000 Geflüchtete auf. Das ist eine anhaltend hoch bleibende Zahl an Geflüchteten. Zum Vergleich, in den Jahren 2016 bis 2021 waren es durchschnittlich 17.000 Geflüchtete pro Jahr. Im Jahr 2023 sank der Anteil an ukrainischen Geflüchteten im Vergleich zum Vorjahr um 72 Prozent deutlich auf 41.286 Personen. Demgegenüber stieg der Anteil an Asylsuchenden um 31 Prozent auf 36.319 Personen.
Um die Aufnahme von Geflüchteten in Baden-Württemberg trotz der beschriebenen angespannten Lage weiterhin gewährleisten zu können, müssen weitere, neue Unterbringungskapazitäten geschaffen werden. Im Bereich der Landeserstaufnahme wurden die Kapazitäten bereits innerhalb kurzer Zeit von rund 6.200 auf aktuell rund 13.200 Plätze aufgestockt. Diese Aufstockung kann aber zeitlich nur sehr begrenzt aufrechterhalten werden. Das gilt vor allem für die temporär betriebenen Standorte. Diese stehen dem Land nur zeitlich befristet zur Verfügung. Um diese, künftig wegfallenden, Plätze auszugleichen und die Funktionsfähigkeit der Erstaufnahme zu gewährleisten, braucht das Land weitere Unterbringungskapazitäten.
Das Land Baden-Württemberg kann keinen direkten Einfluss auf die Anzahl der Zugänge nehmen. Die Länder sind nach dem Asylgesetz des Bundes (§ 44 AsylG) gesetzlich verpflichtet, Asylsuchende unterzubringen und die dazu erforderlichen Erstaufnahmeeinrichtungen zu schaffen. Wie viele Asylsuchende Baden-Württemberg aufnehmen muss, wird nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ errechnet. Danach ist das Bundesland Baden-Württemberg verpflichtet, ca. 13 Prozent der nach Deutschland kommenden Asylsuchenden aufzunehmen. Zum Vergleich: Die Aufnahmequote Nordrhein-Westfalens beträgt rund 21,1 Prozent, die Bayerns 15,6 Prozent.
Um die Überlastung der Aufnahmekapazitäten in den Ländern und Kommunen zu verringern, appellierte das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg bereits eindringlich gegenüber dem Bund, man möge sich dafür einsetzen, dass auf europäischer Ebene geeignete Maßnahmen ergriffen werden, damit eine gerechte und ausgewogene Verteilung von Geflüchteten ermöglicht werden kann.
In den letzten Jahren wurden mehrere Suchläufe nach geeigneten Standorten für Erstaufnahmeeinrichtungen gestartet. Eine Vielzahl an Akteuren war beteiligt, wie insbesondere Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Stadt- und Landkreise, Regionalverbände und die über 1.100 Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg. Ebenso die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, der Deutsche Jugendherbergsverband, die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft e. V., die Deutsche Post AG, die Deutsche Bahn AG sowie gewerbliche Grundstücksmakler. Nach der Auswertung aller Suchläufe konnten nur wenige geeignete Standorte identifiziert werden. Daher ist die landesweite Suche nach Liegenschaften zu einer Daueraufgabe geworden. Es müssen weiterhin alle in Betracht kommenden Möglichkeiten, die zur Schaffung von Unterbringungskapazitäten der Erstaufnahme beitragen können, geprüft werden.
Grundsätzlich geeignete Standorte werden von Vermögen und Bau Baden-Württemberg mit Unterstützung des jeweiligen Regierungspräsidiums auf ihre Eignung und Wirtschaftlichkeit geprüft. Bei größeren Unterbringungsvorhaben erstellt Vermögen und Bau Baden-Württemberg eine sogenannte Machbarkeitsstudie. Dabei werden alle oben genannten baufachlichen Kriterien genauer betrachtet.
Hintergrund für das Betriebsende der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Ellwangen ist eine aus den Jahren 2015 und 2019 stammende öffentlich-rechtliche Vereinbarung. Das Land, der Ostalbkreis und die Stadt Ellwangen haben damals ein Betriebsende für die Einrichtung festgelegt. In eingehenden Verhandlungen mit der Stadt Ellwangen und dem Ostalbkreis konnte eine letztmalige Verlängerung der Nutzung bis zum 31. Dezember 2025 vereinbart werden. Voraussetzung hierfür war die einvernehmliche Zustimmung aller Vertragspartner.
Auswirkungen einer Erstaufnahmeeinrichtung in der Nähe meines Wohnortes
Das Land trifft lageorientiert geeignete Maßnahmen zur Herstellung und Aufrechterhaltung einer guten Sicherheitslage innerhalb der Erstaufnahmeeinrichtung sowie in deren Umfeld: Neben der Erstellung eines Sicherheitskonzeptes und dem Einsatz eines Sicherheitsdienstes innerhalb der Einrichtung rund um die Uhr, wird der Außenbereich der Einrichtung durch einen Zaun mit Zutrittskontrolle geschützt.
Im Umfeld der Erstaufnahmeeinrichtung setzt das Land Streetworker ein. Diese stehen als Ansprechpartner für Anwohnerinnen und Anwohner und Geflüchtete zur Verfügung und tragen zum Abbau von eventuellen Spannungen bei oder intervenieren präventiv und deeskalierend.
Darüber hinaus trifft das örtliche Polizeipräsidium Maßnahmen zur Verhinderung von Sicherheits- und Ordnungsstörungen. An einigen Standorten befinden sich polizeiliche Einrichtungen direkt auf dem Gelände einer Erstaufnahmeeinrichtung.
Asylsuchende sind nach dem Asylgesetz des Bundes (§ 47 AsylG) verpflichtet, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Eine Verpflichtung, sich durchgehend in der Einrichtung aufzuhalten, ist damit jedoch nicht verbunden.
Die durchschnittliche Unterbringungsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen zwischen Registrierung und Zuteilung in die vorläufige Unterbringung lag vor Beginn der Corona-Pandemie bei ca. viereinhalb Monaten. Seit dem Jahr 2022 ist die durchschnittliche Unterbringungsdauer auf unter zwei Monate deutlich gesunken. Grund hierfür waren Verlegungen zur Absenkung der Belegungsdichte aufgrund der Corona-Pandemie sowie der ab Mitte 2021 deutlich gestiegene Zugang von Geflüchteten.
Grundsätzlich wird auf eine ausgewogene Belegung der Erstaufnahmeeinrichtungen geachtet. Innerhalb der Einrichtung werden besonders schutzbedürftige Personen separiert. Das sind z.B. alleingeflüchtete Frauen oder alleinstehende Frauen mit Kindern und Familienangehörigen.
Die medizinische Versorgung wird überwiegend über die eigene medizinische Ambulanz der Einrichtungen erbracht. Der Umfang der Sprechstunden richtet sich jeweils nach der Größe, der Funktion und der aktuellen Belegung der Einrichtung. Bei Bedarf werden auch pädiatrische und gynäkologische Sprechstunden, Hebammensprechstunden und eine psychologische Beratung angeboten.
Das medizinische Versorgungsangebot in den Erstaufnahmeeinrichtungen zielt sowohl auf die angemessene Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner, als auch auf die Entlastung der lokalen Versorgungsstrukturen ab. Patientinnen und Patienten, die von den Krankenstationen der Erstaufnahmeeinrichtung nicht angemessen versorgt werden können, werden an die lokalen medizinischen Einrichtungen überwiesen.
Das eingesetzte ärztliche und nichtärztliche medizinische Fachpersonal wird durch externe medizinische Dienstleister gestellt, die über mobiles und überregionales Personal verfügen.
In allen Erstaufnahmeeinrichtungen wird eine professionelle und qualifizierte Kinder- und Jugendbetreuung angeboten. Aufgrund dieses Angebots und der kurzen Verweildauer von Familien mit Kindern in der Erstaufnahme besuchen die Kinder keine Kinderbetreuungseinrichtung vor Ort.
In Baden-Württemberg besteht das Recht zum Schulbesuch von Beginn des Aufenthalts an. Die Schulpflicht für Asylsuchende bzw. Geduldete beginnt erst sechs Monate nach Zuzug aus dem Ausland. In Abstimmung mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport werden Kinder und Jugendliche im Rahmen der Erstaufnahme unterrichtet. Der Unterricht findet in der Regel an den örtlichen allgemeinbildenden Schulen in Vorbereitungsklassen (VKL) oder an beruflichen Schulen in Klassen des Vorqualifizierungsjahrs Arbeit und Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen (VABO) statt. Aufgrund unterschiedlicher Vorbildung und einer unterschiedlichen Unterbringungsdauer in der Erstaufnahme wird je nach Einzelfall geprüft, ob eine Schulanmeldung bereits Sinn macht oder ob zunächst eine Vorbereitung auf den Schulbesuch im Rahmen der Kinder- und Jugendbetreuung empfohlen wird.
Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport bzw. die Regierungspräsidien richten je nach Bedarf zusätzliche VKL- oder VABO-Klassen an Schulen im Umkreis von Erstaufnahmeeinrichtungen ein.
Die von den Regierungspräsidien beauftragten Dienstleister für die Alltagsbetreuung übernehmen die Sozialbetreuung. Außerdem haben Bewohnerinnen und Bewohner Zugang zu qualifizierter und unabhängiger Sozial- und Verfahrensberatung nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz Baden-Württemberg (§ 6 Absatz 2 FlüAG). Beim Personal der Sozial- und Verfahrensberatung handelt es sich grundsätzlich um Sozialarbeiterinnen und -arbeiter bzw. Sozialpädagoginnen und -pädagogen oder aber um Personen mit mindestens vergleichbarer Qualifikation. Die Finanzierung erfolgt durch das Land. Neben der Sozial- und Verfahrensberatung des Landes finanziert der Bund eine Asylverfahrensberatung nach dem Asylgesetz des Bundes (§ 12a AsylG).
Zusätzlich finanziert das Land die Koordination von Ehrenamtlichen und die Streetworker der Wohlfahrtsverbände. Darüber hinaus werden in Erstaufnahmeeinrichtungen tagesstrukturierende Angebote gemacht. Hier bringen sich unter anderem die Dienstleister, die für die Alltagsbetreuung beauftragt sind, Ehrenamtliche sowie die Sozial- und Verfahrensberatung der Wohlfahrtsverbände ein. Das Angebot vor Ort hängt von der Bewohnerstruktur sowie den Bedürfnissen und Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner ab. Inhaltliche Schwerpunkte sind die Bereiche
- Beratung, Betreuung und Information (z. B. Frauentreffs, Mutter-Kind Bereiche, themenbezogene Informations- und Beratungsangebote),
- Bildung (z. B. Sprach und Alphabetisierungskurse, Rechtsstaatsunterricht, Erstorientierungskurse, Kinder- und Jugendbetreuung),
- Beschäftigung (z. B. Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsgelegenheiten zur Aufrechterhaltung und zum Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtung nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz des Bundes),
- Freizeit und Sport (z. B. soziale Treffpunkte, gemeinsame Feste feiern, Angebote in den Bereichen Musik/Tanz und Kreativität, Sportangebote wie u.a. Fußball, Fitness, Yoga, Laufgruppen) und
- Begegnung (z. B. Patenschafts- und Tandemprogramme, Ausflüge in die Umgebung).
Auswirkungen einer Erstaufnahmeeinrichtung auf die Standortkommune
Stadt- oder Landkreise mit einer Erstaufnahmeeinrichtung können bis zu einer gewissen Höhe von der Zuweisung von Asylsuchenden in die vorläufige Unterbringung freigestellt werden. Befindet sich die Einrichtung in einem Landkreis, so kann der Landkreis die kreisangehörige Gemeinde der Erstaufnahmeeinrichtung beziehungsweise die angrenzenden Gemeinden von Zuweisungen in die Anschlussunterbringung freistellen. Die Freistellung bei der vorläufigen Unterbringung kann perspektivisch auch zu geringeren Zuweisungen in die Anschlussunterbringung im gesamten Kreis führen, da weniger Asylsuchende zu verteilen sind. Damit kann sich die Errichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung auf den gesamten Kreis auswirken.
Bewohnerinnen und Bewohner von Erstaufnahmeeinrichtungen in den Gemeinden werden als Einwohner nach dem Finanzausgleichsgesetz berücksichtigt. Durch die Bemessung der Zuweisungen aus der kommunalen Investitionspauschale (§ 4 FAG) und den Schlüsselzuweisungen nach mangelnder Steuerkraft (§ 7 Absatz 2 bis 4 FAG, § 30 Absatz 1 und Absatz 2 Nummer 3 FAG) erhöhen sich die Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich an die Gemeinde.
Mit dem Betrieb einer Erstaufnahmeeinrichtung ist die Schaffung von Arbeitsplätzen verbunden. Bei einer Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) sind es je nach Größe ca. 200 bis 300 Arbeitsplätze. Mit dem Regierungspräsidium als Betreiber einer Erstaufnahmeeinrichtung würde sich eine Landesbehörde und im Falle einer LEA zusätzlich mit der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Bundesbehörde ansiedeln. Ferner ergibt sich eine zusätzliche Kaufkraft, denn das monatliche sogenannte Taschengeld – für erwachsene Leistungsberechtigte rund 150 Euro pro Monat – wird im Wesentlichen in Einzelhandelsgeschäften der Umgebung ausgegeben. Hinzu kommen Firmenaufträge für die Inbetriebnahme bzw. den laufenden Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtung. Betriebe in der näheren Umgebung können davon profitieren.
Eine leistungsfähige Erstaufnahme ist grundlegende Voraussetzung für das dreistufige Aufnahmesystem in Baden-Württemberg. Ausreichende Aufnahmekapazitäten in der Erstaufnahme sind vor allem für die vorläufige Unterbringung wichtig, da sie im Falle von steigenden Zugangszahlen zur Ausweitung ihrer Unterbringungsplätze zeitlichen Vorlauf benötigt.
Durch das umfassende Betreuungs- und Versorgungsangebot in der Erstaufnahmeeinrichtung wird sichergestellt, dass die Strukturen vor Ort nur in geringem Umfang angefragt werden müssen. Das Land trägt sämtliche Kosten für die Unterbringung der Geflüchteten und den Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtung.
Durch die Freistellung von kreisangehörigen Gemeinden mit einer Erstaufnahmeeinrichtung bzw. der angrenzenden Gemeinden durch die zuständigen Landkreise, kann die Zuweisung in die Anschlussunterbringung geringer bemessen werden als in Gemeinden, die keine Erstaufnahmeeinrichtung haben. Auf die betroffenen Kommunen wirkt sich das entlastend aus.
Es ist das Ziel, Einvernehmen herzustellen. Die Zustimmung der Standortkommune ist aber grundsätzlich nicht Voraussetzung für den Betrieb einer Erstaufnahmeeinrichtung. Denn es handelt sich um einen hoheitlichen Akt der Daseinsfürsorge. Nach geltender Rechtslage werden die Standorte für Erstaufnahmeeinrichtungen vom Justizministerium als oberste Aufnahmebehörde „im Benehmen“ mit dem jeweiligen Stadt- oder Landkreis und der betroffenen Gemeinde bestimmt. „Im Benehmen“ bedeutet die Anhörung der anderen Behörde, die dadurch Gelegenheit erhält, ihre Vorstellungen in das Verfahren einzubringen. Im Gegensatz zum Einvernehmen ist beim „Benehmen“ keine Willensübereinstimmung von Land und Kommune erforderlich.
Das geltende Baugesetzbuch (BauGB des Bundes) sieht für Aufnahmeeinrichtungen oder Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylsuchende Sonderregelungen vor (z.B. § 246 BauGB). Danach können entsprechende Erstaufnahmeeinrichtungen abweichend von bauplanungsrechtlichen Vorgaben zugelassen werden.
Um Transparenz zu gewährleisten und die Akzeptanz für die Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung herzustellen, bietet das Land seine Unterstützung an. Die Durchführung von Informations- und Ausspracheveranstaltungen vor Ort sind dabei ebenso wichtig wie die Möglichkeit, Anregungen und Kritik, Fragen und Hinweise über das Beteiligungsportal der Landesregierung einzubringen. In Betracht kommt beispielsweise auch die Errichtung eines Bürgerforums, um Raum für konstruktive Diskussionen zu schaffen. Darüber hinaus können sich Bürgerinnen und Bürger an den Bürgerreferenten des Justizministeriums wenden. Die konkrete Ausgestaltung der Bürgerbeteiligung wird gemeinsam mit dem jeweiligen Landkreis, der Standortkommune bzw. den angrenzenden Gemeinden entwickelt.